Problematik bei Messungen der Riegl FG21-P und LR90-235P
Die grundsätzliche Problematik bei Messungen mit sogenannten Laserpistolen – wie den häufig verwendeten Geräten vom Typ Riegl FG-21 P und Riegl LR90-235P – besteht darin, dass es keine eigene Dokumentation des Messvorgangs gibt. Das Messverfahren besitzt keine Dokumentationseinrichtung, wie dies beispielsweise im Bereich der Radarmessung oder der Lichtschrankenmessung üblich ist („Tatfoto“). Daher konzentriert sich die Überprüfung solcher Messungen zwangläufig auf Mitteilungen der Messbeamten im Protokoll.
Durch die Einführung der rechtlichen Fiktion des „standardisierten Messverfahrens“ ist es praktisch zu einer Umkehr der Beweislast gekommen. Der strafprozessuale Ermittlungsgrundsatz wird hierdurch eingeschränkt. Nicht mehr der Staat muss dem Betroffenen das Verkehrsvergehen nachweisen, sondern der Betroffene muss nachweisen, dass er es nicht begangen kann. Während die Justiz, sofern der Betroffene keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler geltend macht, grundsätzlich davon ausgehen kann, dass die Messung mit einem von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) zugelassenen und im Zeitpunkt der Messung gültig geeichten Messgerät ordnungsgemäß abgelaufen ist, sieht die Realität leider anders aus.
Das „standarisierte Messverfahren“ kehrt die Beweislast zu Lasten des Betroffenen um
Häufig werden die Zulassungsbestimmungen der PTB, die vorsehen, dass ein Messgerät entsprechend der vom Geräthersteller Gebrauchs herausgegebenen Gebrauchsanweisung zu betreiben ist, nicht genau eingehalten. Der hohe Stellenwert, welcher der anweisungskonformen Handhabung der Geräte zukommt, zeigt sich unter anderem darin, dass nach den allgemeinen „PTB-Anforderungen an Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte im Straßenverkehr PTB-A 18.11“ Änderungen der Gebrauchsanweisung eines Geschwindigkeitsmessgerätes der Genehmigung durch die PTB bedürfen.
Da die gängigen Hand-Lasermessgeräte keine nachprüfbare Beweisdokumentation liefern, ist von der Verteidigung des Betroffenen zu fordern, dass die Protokolle über jeden Zweifel erhaben sind. Schon der geringsten Verdacht, dass etwas mit der Messung nicht stimmt bedeutet, dass nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann und der Einfluss der Unregelmäßigkeit auf die Messung festgestellt werden muss.
Seit 1. Mai 2009 sind für behördliche Messungen in Deutschland neue Gebrauchsanweisungen für die Laserhandgeschwindigkeitsmessgeräte vom Typ Riegl FG-21 P und Riegl LR90-235P verbindlich ( FG21-P, Aufl. vom 5. Dezember 2008).
Die Protokolle der Messung müssen über jeden Zweifel erhaben sein
In der Gebrauchsanweisung ist neben der Handhabung der Geräte, vor allem die Inbetriebnahme mit den Funktionstests beschrieben. Wesentliche Änderungen gibt es beim Test der Visiereinrichtung (Aligntest). Der Visiertest ist mit dem Riegl FG21-P jetzt über die volle zugelassene Messdistanz von 30m bis 1000m möglich. Für das Vorgängermodell LR90-235P wird eine Distanz von 135m bis 500m angegeben. Die Entfernungsangabe erscheint im Display, wenn der Messbeamte den Messtrahl ausrichtet.
Als geeignete Ziele führt man nun solche an, deren Reflexionseigenschaften sich von der Umgebung deutlich unterscheiden und deren Umrisse klar in der Visiereinrichtung erkennbar sind. Nach wie vor kann der als Gerätezubehör mitgelieferte Plastikreflektor als geeignetes Ziel verwendet werden.
Die neuen Bedienungsanleitungen müssen penibel eingehalten werden
Da im Messprotokoll lediglich anzukreuzen ist, ob die vier vorgeschriebenen Funktionstests – Selbsttest, Displaytest, Test der Visiereinrichtung (Aligntest) und Nulltest – durchgeführt worden sind, wird die richtige Handhabung dieser Tests regelmäßig durch die Befragung des Messpersonals im Rahmen der Hauptverhandlung aufzuklären sein. Nur nach erfolgreichem Abschluss der vier Tests darf das Gerät für amtliche Messungen eingesetzt werden. Diese Maßgabe der Bedienungsanleitung gilt nach wie vor.
Der Messbeamte sollte die geänderten Bestimmungen der neuen Bedienungsanleitung zum Test der Visiereinrichtung kennen. Er sollte darüber hinaus die genaue Durchführung und die Funktionsweise des Aligntests erläutern können.
In der Bedienungsanleitung heißt es dazu:
Während des Selbsttests ist die Auslösetaste gedrückt zu halten, so dass sich der Test zur Überprüfung der Visiereinrichtung („ALIGN…“) anschließt. In diesem Test sendet das Gerät ständig Laserimpulse aus, gleichzeitig ertönt ein Summer. Trifft der Messtrahl auf gut reflektierende Ziele, führt dies zu einer rascheren Tonfolge, schlecht reflektierende Ziele verursachen längere Pausen zwischen den Tönen.
Das Ziel ist mit der Zielmarke der Zieleinrichtung anzuvisieren. Beim Verschieben der Zielmarke über die Kanten des Ziels ist die schnellste Tonfolge dann zu hören, wenn der Laserstrahl auf das Ziel trifft. Beim Verschieben der Zielmarke über die Kanten wird jeweils der Übergang von der Reflexion durch die Zielumgebung zur Reflexion durch das Ziel selbst mit einer deutlichen Änderung der Tonfolge angezeigt.
Die Visiereinrichtung ist dann richtig justiert, wenn sich das Gerät beim Schwenken von links auf das Ziel und beim Schwenken von rechts auf das Ziel gleich verhält, d.h. die Schnelligkeit der Tonfolge muss sich an der gleichen Position der Zielmarke relativ zur Kante des Zieles deutlich verändern. Entsprechend ist in vertikaler Richtung zu verfahren, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Parallaxe, dem Abstand der Achsen von Zielrichtung und Laserstrahl von ca. 6 cm in vertikaler Richtung. Die Parallaxe führt dazu, dass bei korrekter Ausrichtung des Zielrohrs der Übergang beim Schwenk auf das Ziel in vertikaler Richtung um ca. 6 cm nach oben verschoben ist.
Extrem wichtig ist die korrekte Ausrichtung der Visieroptik insbesondere im Hinblick auf die Zuordnungssicherheit. Das Messpersonal muss stets die sichere Zuordnung des Messwertes zum anvisierten Fahrzeug gewährleisten können.
Eigenes Kapitel „Zuordnungssicherheit“ in der Anweisung
Zur Zuordnungssicherheit gilt demnach folgendes: Die zu messenden Fahrzeuge sind möglichst mittig anzuvisieren. Dadurch ist bei der Messung mehrspuriger Fahrzeuge bis zu einer Entfernung von 300 m aufgrund der engen Bündelung des Laserstrahls eine Zuordnungssicherheit gewährleistet.
Da ab Entfernungen von 300 m eine Zielerfassung außerhalb der Breite von PKWs nicht ausgeschlossen werden kann, ist der von Fahrzeugen der gleichen Fahrtrichtung freizuhaltende Zielerfassungsbereich auf einen Durchmesser von insgesamt zwei PKW-Breiten (ca. 3,50 m) zu erweitern, d.h. es ist rechts und links je eine halbe Fahrzeugbreite zuzugeben. Entsprechendes gilt für den Raum oberhalb des anvisierten Fahrzeugs.
Die der Bedienungsanleitung beigefügten Abbildungen erläutern, dass es bei größeren Messentfernungen (ab 300 m) einen Bereich gibt, in dem, je nach den Umgebungsverhältnissen und der Verkehrssituation ein davor, daneben oder dahinter fahrendes Fahrzeug gemessen werden kann. Bei Krafträdern gilt dies bereits ab einer Messentfernung von 100 m.
In der Anlage zum Messprotokoll sollte protokolliert sein, in welcher Messentfernung das Fahrzeug des Betroffenen gemessen wurde und welcher Nettowert (ohne Toleranzabschlag) dabei angezeigt worden ist und ob diese Messung in ankommender Fahrtrichtung (wofür das + steht) oder im abfließenden Verkehr (wofür ein – steht) geschah.
Der Messbeamte wäre dann in einem Hauptverhandlungstermin zu befragen, wo er das Fahrzeug anvisiert hat und ob er ausschließen kann, dass andere Kraftfahrzeuge sich im möglichen Zielerfassungsbereich befunden haben oder ob das Fahrzeug des Betroffenen im Zeitpunkt der Messung als Einzelfahrzeug unterwegs war.
Der Betroffene ist somit letztlich darauf angewiesen, dass die Messbeamten als Zeugen klare Angaben zur Sache machen können. Inwieweit diese sich oft nach mehreren Monaten an einen konkreten Messvorgang erinnern können, steht auf einem anderen Blatt. In der Regel werden die Messbeamten nur etwas dazu aussagen können, wie sie üblicherweise vorgehen.
Wenn hierbei von der Gebrauchsanweisung abgewichen wurde, kann das Verfahren eingestellt werden oder ein technischer Sachverständiger wird vom Gericht dazu beauftragt, dazu Stellung zu nehmen, wie sich die Abweichung von der Gebrauchsanweisung auf die konkrete Messung ausgewirkt hat.
Christian Demuth, Rechtsanwalt im Bereich Verkehrsrecht, Düsseldorf: „Schon der geringsten Verdacht, dass etwas mit der Messung nicht stimmt bedeutet, dass nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann.“
Veröffentlicht mit Genehmigung des Autors (Verfassers) Rechtsanwalt Christian Demuth“ www.cd-recht.de
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